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Haus Mooramt / Bürgermeisteramt

Haus Mooramt wurde in den 1920er-Jahren gebaut, um der zunehmend nötigen Verwaltungsarbeit in Freistatt ein angemessenes Obdach zu bieten. Daher kommt auch der Name: Mooramt als Sitz der Hauptverwaltung. Bis zu jener Zeit waren die Freistätter Anstalten entweder direkt in den Erziehungsheimen und den Arbeiterkolonien, im Haus des Anstaltsleiters oder im Feuerwehrhaus verwaltet worden. Nach Gründung der politischen Gemeinde Freistatt im Jahr 1923 fand auch das Gemeindeamt in Haus Mooramt seinen Platz.

Als erster Bürgermeister war von 1924 bis 1934 Diakon Johannes Didwiszus tätig. (Im ersten halben Jahr ihres Bestehens hatte die Gemeinde Freistatt aus pragmatischen Gründen keinen Bürgermeister.) Johannes Didwiszus wurde von der NSDAP abgesetzt, obwohl eine große Gruppe Freistätter Einwohner sich für seinen Amtserhalt aussprach. Sein Nachfolger war Diakon Alfred Wiegand. Dieser wurde im Jahr 1938 unter Verweis auf angebliche homosexuelle Kontakte ebenfalls abgesetzt und stattdessen Diakon August Wiese, ein überzeugter Nationalsozialist, ohne Wahl als Bürgermeister bestimmt.

August Wiese war Hausvater in Haus Wegwende und verlegte sein Bürgermeister-Büro dorthin. Aufgrund seiner zahlreichen Aufgaben als Bürgermeister wurde er von der Arbeit als Hausvater freigestellt, was zu Spannungen mit dem Anstaltsleiter führte. Als der Krieg zu Ende ging und die Engländer in Freistatt ankamen, floh August Wiese ins Moor und lebte dort in einer kleinen Bretterhütte im sogenannten "Millionenviertel". Versorgt wurde er von befreundeten Diakonen, die ihn immer wieder zur Aufgabe überreden wollten. Schließlich wurde Wiese von den Engländern verhaftet und in ein Umerziehungslager gebracht.

Nach seiner Entlassung wohnte August Wiese wieder in Freistatt; Ämter übernahm er allerdings nicht mehr. Nach Aussagen von Zeitgenossen hatte der früher sehr korpulente Wiese in Haft anderthalb Zentner Gewicht verloren. Und noch eine weitere Geschichte wird erzählt: Während seiner Zeit als Bürgermeister habe Wiese einen kleinen Opel P4 gefahren, in dem er immer seine ebenfalls korpulente Frau auf dem Beifahrersitz mitnehmen musste - damit das Auto nicht die Balance verlor.

Nach dem Krieg wurde das Bürgermeisterbüro wieder in Haus Mooramt verlegt. Auf dem Foto des Innenraums ist links Bürgermeister Stichling (1948-1955) zu sehen. Rechts sitzt Herr Tewes, ein Pensionär aus der Moorpension, der viele Jahre als Bürokraft der Gemeinde Freistatt angestellt war.

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